Abrüstung und Rüstungskonversion
Ca. 70 000 Beschäftigte arbeiten in der Rüstungsindustrie, bei ca. 40 Millionen Beschäftigten in Deutschland (2012)
Es gibt keine aktuelle und umfassende Bestandsaufnahme der Zahl der Beschäftigten im Bereich Rüstung und Militär.
In vielen Artikeln und Beiträgen wird die Zahl 70 000 genannt, eine Quelle für diese Zahl ist nicht bekannt.
Aktuell 2022: Durch die geplante Erhöhung der Rüstungsausgaben auf 70 Mrd € jährlich, durch Materiallieferung in die Ukraine und entsprechender Ersatzbedarf bei vielen NATO-Streitkräften dürfte sich die wirtschaftliche Bedeutung der Rüstungsindustrie erhöhen.
die Rosa-Luxemburg-Stiftung hat auf Grundlage der Daten der Informationsstelle Militarisierung (IMI) eine (nicht abschließende) Zusammenstellung über die Rüstungsindustrie sowie ihre Verbände und Vereine in Deutschland veröffentlicht.
https://www.rosalux.de/vernetzte-waffenschmieden
Die Übersicht beschreibt die militärischen Produkte, ohne die ökonomische Relevanz regional oder gesamt BRD beschreiben zu können, mangels Daten.
Rüstungsindustrie und deutsche Außenpolitik
War das Thema eines Workshops im Rahmen der Konferenz "War unmasked", am 28.1.2024 im Bellevue de Monaco, München.
https://ak49.de/
Zur Einführung in die Diskussion diente das Referat mit der Präsentation von Thomas Rödl:
Rüstungsindustrie in Bayern
Die Präsentation gibt einen Überblick über die Rüstungsindustrie in Bayern. Die Rolle der Rüstungsindustrie in der deutschen Außenpolitik wurde im zweiten Teil mit den TeilnehmerInnen des Workshops diskutiert.
Präsentation hier - gegenüber dem Vortrag ergänzt und mit Quellenangaben versehen (nach S.17). Die Thesen der Texttafeln ab S. 13 wurden z.T. in die Diskussion eingebracht.
Videoaufzeichnung des Vortrags (Teil 1) mit den Tafeln der Präsentation eingebaut:
https://www.youtube.com/watch?v=wNPw0zQtz9U&t=221s
Videoaufzeichnung der Diskussion (Teil 2) https://youtu.be/ifEN4hhattc
To Do: Eine Bestandsaufnahme der rüstungs- und militärabhängig Beschäftigten in Deutschland erstellen!
To Do: Vernetzung der Initiativen, die sich mit der Rüstungsindustrie in ihrer Region beschäftigen
Liste mit Militäreinrichtungen in Rheinland Pfalz und im Saarland
Die DFG-VK in Bayern beschäftigt sich mit Umfang und Bedeutung der Rüstungsindustrie.
Dazu hat sie eine Broschüre herausgegeben: Porträt der Firma Diehl
Im November 2012 war die DFG-VK Mitveranstalter einer Tagung zur Rolle der Rüstungswirtschaft in Bayern.
Die Dokumentation der Tagung im November 2012: "Bayern unter Waffen! Wirtschaft ohne Rüstung - geht das?"
(vergriffen, nur online)
Politische Bedeutung der Rüstungsindustrie
Die große Koalition aus CDU-CSU-SPD-FDP betrachtet die Rüstungsindustrie als eine Branche von strategischer nationaler Bedeutung. Alle wichtigen technischen Fähigkeiten zur Produktion von Rüstung in allen Breichen sollen in Deutschland angesiedelt sein. Deutschland soll von keinen ausländischen Lieferanten, auch nicht der USA, abhängig sein. Anlässlich der wiederholten Berichte über mangelhaftes Gerät bei der Bundeswehr entstand der Artikel: Bundeswehr mangelhaft - Konzepte aus dem kalten Krieg (Oktober 2014)
Aktuell: Das fliegende Waffensystem der Zukunft, FCAS, als Beleg für die Subventionierung der deutschen und französischen Luft- und Raumfahrtindustrie
https://www.no-militar.org/index.php?ID=14
Überlegungen zur Konversion der Rüstungsindustrie im Faltblatt: Umstellung fördern! (von 2008)
Wie die Abschaffung der Bundeswehr praktisch funktionieren könnte
Diskussionspapier von Thomas Rödl:
Die häufigsten Einwände wenn wir fordern, Bundeswehr abschaffen:
*Humanitäre Intervention, manchmal nötig
*Kampf gegen Terrorismus, Islamismus
*Angst um Arbeitsplätze
*Abrüstung geht nicht – politisch, rechtlich, praktisch…
Daher im folgenden Überlegungen,
wie die Abschaffung der Bundeswehr praktisch funktionieren könnte.
Wir propagieren den Gedanken der Abschaffung der Bundeswehr seit etwas mehr als 20 Jahren. Konsens bei den MilitärabschafferInnen ist, dass es einen langen Prozeß gesellschaftlicher Diskussion geben wird, bis es eine relevante / qualifizierte Mehrheit dafür geben wird. In diesem Prozeß wird man auch immer wieder die Modalitäten der Abschaffung diskutieren müssen.
Teil der Vorbereitung der Abschaffung ist die konkrete praktische Planung. Bisher wurde eine Armee abgeschafft z.B. durch Zwang, nach einer Niederlage, unter Kontrolle der Siegermächte, wie die Wehrmacht nach dem 2. Weltkrieg. Uns geht es um einseitige, politisch gewollte und beschlossene freiwillige Abschaffung der Bundeswehr. (Präzendenzfälle wie z.B. Costa Rica könnten wir untersuchen?) (aus den nachfolgenden Überlegungen könnten wir ein Planspiel entwickeln…)
Schritte im Abrüstungsprozeß:
- Planung der Abrüstungsschritte – Personal, Material, Kosten
- Waffenstillstand erklären , dann verhandeln, bei den laufenden Kriegseinsätzen
- Stopp der Waffenbeschaffung und Entwicklung
- Rückzug aus den Kriegseinsätzen
- Einstellungsstopp – keine neuen Soldaten ausbilden
- Stopp der Rüstungsexporte
- Beendigung der Beteiligung an den UNO- Missionen, wobei diese differenziert betrachtet werden sollten; auch davon abhängig wie das Verhältnis zur UNO im Abrüstungsprozeß gestaltet wird - vgl. „UNO-Polizeitruppe“ – als notwendig betrachtet oder nicht.
Vorbereitung, Planung
- Diplomatische Begleitmaßnahmen zum Abrüstungsprozeß beginnen Internationale Kontrolle der Abrüstungsschritte in Deutschland- d.h. den Nachbarstaaten, der Staatengemeinschaft und den Zivilgesellschaften weltweit muß vermittelt werden, daß die Abschaffung real ist, kein Propagandamanöver, ernsthaft und unumkehrbar ist. - - - um die politischen Bedingungen für einseitige Abrüstung in den Nachbarstaaten zu verbessern.
- Aufbau notwendiger Strukturen – Amt für Abrüstung und Kontrolle? Die die politische, rechtliche und materielle Kontrolle der Abrüstung übernimmt, BürgerInnen, Friedensbewegung, ExpertInnen einbezieht, die Internationale Kontrolle organisiert. Schulungsmaßnahmen für ZivilistInnen zu Abrüstungsinspektoren. Oder eine „Bundeswehr-Abwicklungs-Treuhand“ konstruieren.
- Einrichtung von Kontrollmechanismen im Verteidigungsministerium und in allen Führungsstrukturen der Bundeswehr, die die Umsetzung der Abrüstung überwachen und gewährleisten – Kontrolle der Kommunikation, Auswechseln von Führungspersonal (Widerstände gegen Abrüstung in den Seilschaften der Militärs?? Vorher zu beobachten!) Kontrolle aller systemrelevanter software!
- Personalplanung zentral und dezentral – wer wird wofür benötigt – Einbeziehung der Betroffenen Militärs und Zivilisten - wer will beim Abrüsten mitmachen, wer will zum THW oder zur UNO – Polizeitruppe (falls die politisch gewollt ist), wer will sofort ins Zivilleben?
- Studien für einzelne Teilbereiche erforderlich:
- Luftraumüberwachung – weiter nötig ? international/ europäisch zu regeln – jedenfalls keine nationale Luftwaffe
-Küstenschutz, Zoll, Meeresüberwachung – was ist nötig
- Internationale Nutzung der Kommunikations- und Aufklärungssatelliten der Bundeswehr
- Sicherstellung der zivilen Nutzung von Galileo (vgl. mein Artikel zu Galileo / GATE)
- Studien zu einzelnen Standorten und Einrichtungen– Truppenübungsplätze, Marinestützpunkte, Atomwaffenfliegerhorst, Bundeswehruniversitäten, Sanitätsakademie, Ausbildungseinrichtungen, Forschungseinrichtungen –DLR -und Sonderdienststellen…. etc. nötig.
Tag X – Beginn der Abrüstung
- Demobilisierung der Bundeswehr, d.h. der Teilstreitkräfte, d.h. Rückzug in Stützpunkte, Häfen und Fliegerhorste.
- Ende von Ausbildungs- und Übungsbetrieb, Vorbereitung von Personal für Demontage, Umschulungsmaßnahmen
- Munition sicherstellen, in bewachte Lager, bzw. dahin transportieren, wo die Munition demontiert oder zerstört werden kann – das kann ein paar Wochen dauern.
- Kommunikationssysteme, Navigationssysteme, Radaranlagen, Zielvorrichtungen, Feuerleitsysteme ausbauen – soll heißen, evtl Treibstoffe raus und sicherstellen, d.h. der Flieger oder Panzer steht dann zunächst noch da, kann aber nicht mehr fahren/ fliegen oder ballern. Erster Schritt: Batterien ausbauen und alle eingebauten Computersysteme mit 380 Volt Drehstrom schlagartig erhitzen.
- Aussondern von Material, das bei THW oder UNO- Truppe verwendet werden kann
z.B. Versorgungsschiffe der Marine, Transportflugzeuge und Hubschrauber, Transport- LKWs u.a. Fahrzeuge, „Feldzeug“ – Küche-Toilette- Wasser- Sanitäts- Material- und Einrichtungen
- Umwidmung und evtl Umrüstung von Stützpunkten dafür
- Aufbau von zivilen Betriebs- und Verwaltungsstrukturen für THW / HoW
- solange es deutsche Beteiligung an UNO- Einsätzen gibt, brauchts natürlich entsprechende Führungs- und Logistik- Strukturen
- Demontage von Waffen, zerlegen von z.B. Flugkörpern, Kanonen, Ausbau von Waffen aus Flugzeugen oder Kriegsschiffen – Teil der Abrüstungsplanung: Was kann vor Ort in den Kasernen bzw. Stützpunkten erledigt werden, was muß in den Rüstungsbetrieben gemacht werden - dort ist know how und Personal.
Konversion der Rüstungsindustrie
ist Aufgabe der Konzerne und Belegschaften – staatliche Instanzen können nicht für Privatunternehmen planen – entweder die lassen sich was einfallen, oder sie gehen Pleite. Der zeitliche Vorlauf für Abrüstung gibt den Unternehmen eine Chance für Umstellung auf zivile Produkte (vgl .unser Faltblatt „Umstellung fördern“ und unsere Studien zur Rüstungsindustrie)
- Verstaatlichung bzw. zivile und internationale Kontrolle der Betriebe bzw. der Standorte, die für zerlegen, demontieren und verschrotten in Frage kommen
Rüstungsforschung
bzw Fortsetzung der Forschung aller Art ist notwendig, damit die Zivilgesellschaft beurteilen kann, welche Wissensbereiche militärisch relevant sind und potentiell militärisch und antidemokratisch eingesetzt werden können! Ein vollständiges Transparenzgebot (Publikation aller Ergebnisse), eine internationale Kontrolle aller privaten und staatlichen Forschungseinrichtungen ist einzurichten. Ein know-how über Militärkram ist auch für soziale Verteidigung wichtig!
Überlegungen zur Abrüstung:
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Bürgerbeteiligung
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Internationale Einbindung – Vertrauensbildung, Anstoß für Abrüstung in anderen Staaten
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Sabotage des Abrüstungsprozesses, oder gar ein Putschversuch muß verhindert werden
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Vernünftige Verwendung von brauchbaren Materialien = populäres Argument
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Zivil brauchbares Material nicht zerstören
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militärisches know-how ist notwendig für den Abrüstungsprozeß
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ein internationale Technisches Hilfswerk für Katastrophenhilfe ist sinnvoll; „Hilfe ohne Waffen“ – HoW - („Verantwortung“, auch populär)
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ebenso eine Polizeitruppe der UNO unter neutralem Oberkommando, vgl. mein Text BoA- UNO
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Niemand soll sich bereichern können, Waffen verschieben oder für politische oder kriminelle Zwecke unterschlagen können
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Soldaten sollen korrekt nach Beamtenrecht behandelt werden, sollen eine Perspektive erhalten, wie ihr know-how zivil genutzt werden kann; Widerstände „in der Truppe“ müssen politisch und vorher bearbeitet werden.
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Abrüstung heißt, den Militärapparat für Kriegführung unbrauchbar zu machen
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Kommunikation, Kommando, Kontrolle und Aufklärung (im Jargon C-3-I = command, control and intelligence) sind der Schlüssel zur Benutzung von Streitkräften bzw. zu Führung von Kriegen. Diese Strukturen sind als erstes zivil zu kontrollieren bzw. unbrauchbar zu machen. Wie lange es dauert, bis dann alles zivil nicht nutzbare Material verschrottet ist, ist zweitrangig.
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Konversion der Rüstungsindustrie ist Aufgabe der Konzerne und Belegschaften, nicht des Staates; wir sollten die Verstaatlichung der Rüstungsindustrie fordern, erst dann kann es eine Konversionsplanung „von oben“ geben. (vgl. Thesenpapier von Uli Hahn, Versöhngsbund)
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Rüstungshaushalt senken = Kaputt sparen = kein Konzept – was die Abrüstung kostet, muß sich aus der Planung ergeben – aber natürlich ergeben sich schlagartig Einsparungen, wenn die Auslandseinsätze, die Neubeschaffungen und der Übungsbetrieb gestoppt werde.